Für Henrik J. Stump steckt in jeder Immobilie ein neues Potenzial. Im Interview verrät der visionäre Entwickler, wie nachhaltige Konzepte und starke Standorte die Zukunft der Branche prägen.
Für ihn ist jede neue Immobilie eine Chance, die es sinnvoll zu nutzen gilt: Henrik J. Stump. Im Interview spricht der Immobilienentwickler und Visionär über wegweisende Projekte wie die Planung der Binelli Group Filiale an der Badenerstrasse, strategische Standortentscheidungen und seine Idee von Plusenergie-Häusern, die mehr Energie produzieren, als sie verbrauchen.
Sie haben ursprünglich Architektur studiert und 1990 direkt nach dem Studium die Firma Stump + Partner gegründet. Heute ist Ihre Firma vor allem auf die Entwicklung von Immobilienprojekten spezialisiert. Was reizt Sie daran?
Die ganzheitliche Aufgabe, also die Kombination von Problemanalyse, Brainstorming und Synthese in den Bereichen Planung, Bau und Betrieb einer Immobilie.
Und was heisst das in der Praxis? Was genau machen Sie?
Unsere Spezialisierung umfasst die gesamte Entwicklung eines Immobilienprojekts. Wir starten mit der Bedarfsermittlung, finden und bewerten passende Grundstücke oder Objekte, unterstützen beim Kauf und falls gewünscht auch bei der Finanzierung. Anschliessend planen wir das Projekt detailliert: Was passt zum Standort – Wohn- oder Gewerbenutzung? Falls Wohnen, für welche Zielgruppe – eher gut betuchte Paare oder Familien mit geringerem Einkommen? Je nach Bedarf unterscheiden sich Grundrisse, Ausstattung und Wohnfläche. Danach begleiten wir auf Wunsch die gesamte bauliche Umsetzung und nach Fertigstellung auch die gesamte Bewirtschaftung der Mietwohnungen inklusive Facility Management. Bei Eigentumswohnungen können wir auch das gesamte Marketing und den Verkauf übernehmen.
Was ist Ihre Motivation, Ihre übergeordnete Vision im Bereich der Immobilienentwicklung?
Für mich sollten alle neuen oder weiterentwickelten Gebäude – ganz unabhängig von ihrer Bestimmung – nachder Umsetzung in vertretbarer Frist ökologisch neutral sein und gleichzeitig den Nutzerinnen und Nutzern einen spürbaren Mehrwert bringen, sowie ästhetisch Freude bereiten.
Wird aber nicht bei jedem Neu- oder Umbau zuerst einmal zusätzliche neue Energie verbraucht?
Genau von dieser sogenannten grauen Energie spreche ich ja, die für die Herstellung, den Transport, die Lagerung, den Verkauf und die Entsorgung eines Produkts oder einer Dienstleistung aufgewendet wird. Meine Vision sind sogenannte Plusenergie-Häuser, die unter dem Strich mehr Energie produzieren als sie verbrauchen und so über die Jahre diese graue Energie wieder wettmachen. Für mich persönlich ist das schon ein Anspruch, den wir unseren Kindern, der Umwelt, wem auch immer, schuldig sind.
Sie arbeiten schon seit Jahren eng mit Binelli Group zusammen. Unter anderem waren Sie – damals noch als Architekt – auch schon beim Bau des Autocenters Zürich Süd beteiligt, das 2008 eröffnet wurde. Welche weiteren Projekte folgten?
Das Autocenter war tatsächlich mein letztes grosses Projekt als Architekt. Schon damals war es übrigens ein wichtiger Teil der Projektidee, die grosse Grundfläche des Showrooms und der Werkstatt für weitere Stockwerke zu nutzen – ein erster Schritt in Richtung Immobilienentwicklung. Weitere, zumeist reine Gewerbeobjekte folgten. Dann kam der Bau der neuen Niederlassung in Zürich, wo wir auf die Gewerbefläche im Parterre elegant gleich 70 Wohnungen draufsetzten.
Wie entstand die Idee zur Zusammenlegung und Neugestaltung der beiden Standorte?
Am Anfang stand die Frage, ob es sinnvoll ist, in Zürich zwei nahe beieinanderliegende Standorte zu betreiben – zumal die alte Titan-Garage an der Badenerstrasse renovierungsbedürftig war. Ich erarbeitete zwei Optionen: entweder die Standorte zusammenzulegen oder beide aufzugeben und einen Neubau an einem günstigeren Standort ausserhalb der Stadt zu errichten. Die Immobilienverwertung der Zürcher Standorte hätte den Neubau problemlos finanziert. Binelli entschied sich schliesslich für die Zusammenlegung an der Badenerstrasse. Anfangs gab es Bedenken, das Stammhaus an der Pflanzschulstrasse aufzugeben, doch schlussendlich kamen wir gemeinsam zu dem Schluss, dass eine Umnutzung wirtschaftlich attraktiv wäre. Heute befindet sich in der ehemaligen Werkstatt eine Lidl-Filiale mit extern vermieteten Gewerbeflächen darüber – ein reines Renditeobjekt für Binelli. An der Badenerstrasse ging es darum, das Potenzial der einstigen Titan-Garage gegenüber dem Letzigrund besser zu nutzen. So entstand das Grossprojekt: eine moderne Binelli-Filiale im Erdgeschoss mit 70 Wohnungen in den darüberliegenden Stockwerken.
In ihrer Vision 2025 misst Binelli Group dem Thema «Nachhaltigkeit» eine sehr grosse Bedeutung bei. Wie floss das ins Neubauprojekt an der Badenerstrasse ein?
Das fängt schon beim sparsamen Umgang mit dem Boden an. Durch die Errichtung eines offiziell als Hochhaus eingestuften Gebäudes – das sind in Zürich alle Gebäude, die höher als 25 Meter sind – konnte die maximal zulässige, oberirdische Bebauungsdichte voll ausgeschöpft werden, zudem konnten alle Funktionen, die nicht unbedingt oberirdisch benötigt werden, in zwei Untergeschossen untergebracht werden. Dann wurde auch der sogenannten Zehn-Minuten-Nachbarschaft Rechnung getragen, was so viel heisst, wie dass Wohnen und Arbeiten in einem Gebäude vereint werden. Natürlich ist das Gebäude auch überdurchschnittlich wärmegedämmt. Zusammen mit der konsequenten Nutzung von Grundwasser-Wärmepumpen und einer riesigen Photovoltaik-Anlage auf dem Dach, produzieren wir zeitweise tatsächlich mehr Energie, als die Liegenschaft im Unterhalt benötigt.
Und wie sieht es mit dem Parkplatzmanagement aus?
Alle Park- und Abstellplätze wurden so ausgelegt, dass bei steigendem Bedarf weitere Elektroladestationen integriert werden können. Dies geschieht durch das bereits installierte Lastmanagement. Gleichzeitig wurde auf den Bau einer eigenen Benzin- und Diesel-Tankstelle verzichtet. Dafür haben wir eigene Recyclingräume für sämtliche festen und flüssigen Verbrauchsmaterialien der Werkstatt erstellt.
Was hat Sie an diesem Projekt besonders gereizt?
Alle Anforderungen und Bedürfnisse bei der Planung unter einen Hut zu bringen und dann bis zum Schluss erfolgreich umzusetzen.
Zur Person
Henrik J. Stump ist dipl. Architekt ETH/ SIA und hat sich 1990 sofort nach seinem Studienabschluss selbstständig gemacht. Stump ist 62 Jahre alt, verheiratet und Vater von drei erwachsenen Kindern. Er lebt mit seiner Frau in Kilchberg.