Ein kleines Detail mit grosser Wirkung: der Hofmeisterknick. Warum diese Designikone untrennbar zur BMW DNA gehört und welche Geschichte dahintersteckt, erfahren Sie hier.
Ob Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft – kein BMW ohne Hofmeisterknick. Elegant oder sportlich, modern oder zeitlos: Dieses Designmerkmal ist fester Bestandteil der BMW DNA. Wir werfen einen Blick auf die Geschichte eines Details, ohne das ein BMW ebenso wenig ein BMW wäre wie ohne die charakteristische Niere.
Nein, die Berufsschule Stadthagen klingt nicht nach der grossen, weiten Formenwelt des Automobildesigns. Und doch: Genau hier, an einer Berufsschule im deutschen Bundesland Niedersachsen, begann die Laufbahn des Mannes, der eines der markantesten Designelemente der Automobilgeschichte prägen sollte: Wilhelm Hofmeister (1912–1978), Vater des Hofmeister-Knicks.
Von der genannten Berufsschule aus ging es für Hofmeister zuerst zum Karosseriebau-Studium nach Hamburg und 1939 schliesslich zu BMW nach Eisenach. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte er für drei Jahre nach Stadthagen zurück und konstruierte – ja, so etwas gab es tatsächlich – seriengefertigte Leichtbauwohnhäuser.
1949 kehrte Hofmeister zu BMW zurück – diesmal nach München. Und er machte ebenso schnell Karriere wie später seine berühmteste Erfindung, der Hofmeisterknick. Ende 1955 wurde Hofmeister Leiter der Karosserieentwicklung. Als begnadeter Designer? Begnadet – ja. Designer – nein. Damals sprach noch niemand von «Design», und offiziell war Hofmeister als Ingenieur angestellt. Faktisch jedoch prägte er als Chefstilist die Formensprache von BMW – auch wenn es diesen Titel so noch nicht gab.
Zu seinen ersten grossen Projekten zählten Modelle, die BMW aus der schwersten Krise deren Geschichte retten sollten, etwa der BMW 700 von 1959. Ohne Niere, ohne Hofmeisterknick – aber als kompakter Kleinwagen genau das richtige Auto für einen dringend benötigten Zwischenerfolg.
1961 feierte der 3200 CS auf der IAA in Frankfurt Premiere – und glänzte bereits mit dem Hofmeisterknick. Doch die eigentliche Sensation war der BMW 1500, besser bekannt als Neue Klasse. Dieses Modell war BMWs Antwort auf die schwierigen Jahre zuvor und markierte den Aufbruch in eine neue Ära. Ab 1962 prägte die Neue Klasse die gesamte Marke, brachte BMW zurück auf die Erfolgsspur und legte den Grundstein für die spätere 5er Reihe. Noch entscheidender: Mit ihrem Erfolg etablierte sie die Sportlimousine als Markenkern – und mit ihr den Hofmeisterknick als subtiles, unverwechselbares Detail, das BMW bis heute begleitet.
Doch Moment – was ist eigentlich dieser Hofmeisterknick? Nun, zunächst einmal handelt es sich um einen markanten Gegenschwung in der hinteren Senkrechten des letzten Seitenfensters, genauer gesagt im unteren Bereich der C- oder D-Säule. Unverwechselbar und doch wandelbar, veränderte sich der Hofmeisterknick mit den Designlinien der Zeit: Mal dynamisch, mal elegant – stets innovativ und zugleich ein Zeichen von Kontinuität. Aber warum erfand Hofmeister ihn überhaupt? Ganz nach dem Prinzip «Form follows Function» war der Knick ursprünglich eine konstruktive Lösung zur Verbesserung der Karosseriestabilität. Ähnlich wie die BMW Niere, die 1933 als aerodynamische Optimierung begann, wurde der Hofmeisterknick schnell zu einem ikonischen Designelement. Nach seinem Debüt in der Neuen Klasse prägte er ab 1965 auch die 02er Reihe – und wurde endgültig Teil der BMW DNA.
Wie so oft in der Designgeschichte hatte auch dieser Geniestreich viele Eltern. Ein solcher Knick in der Seitenfenstergrafik war nicht völlig neu, so viel Ehrlichkeit darf sein. Bereits in den 1940er-Jahren tauchte er immer wieder bei Wettbewerbern auf. Und der Grundentwurf der Neuen Klasse entstand unter Beratung des italienischen Autodesignstars Giovanni Michelotti (1921 - 1980). Es war jedoch Hofmeisters Team, das diesen Entwurf überarbeitete und zur Serienreife brachte. Neu war auch, wie konsequent Hofmeister «seinen» Knick dann später zum Markenzeichen formte. Als er 1970 an Paul Bracq übergab, war der Hofmeisterknick bereits derart etabliert, dass ohne ihn kein BMW mehr denkbar war. Damit wurde der Hofmeisterknick auch bei Bracqs Meisterwerken der ersten 3er, 5er, 6er und 7er Reihe zum festen Bestandteil – ein Ritterschlag für einen Designer.
Ein weiteres gutes Beispiel dafür, wie der Knick seinen Weg bis in die Moderne fand, ist der erste BMW X3. Er leitete den Knick erstmals nicht in eine waagrechte, sondern in eine abfallende Unterkante über – ein Muster, das sich bis heute an den X Modellen findet. Ähnlich wie die Niere ist auch der Hofmeisterknick ein Element im Wandel: Er entwickelt sich weiter, bleibt aber stets eine unverkennbare Konstante, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des BMW Designs verbindet. Und Form folgt eben Funktion: Der Hofmeisterknick erleichtert dem Auge das Erfassen der Linienführung. Beim Betrachten führt er den Blick vom «Glashaus» (Dach samt Säulen und Fenstern) zum unteren Karosseriebereich. Wohin die Reise geht? Man darf gespannt sein. Denn der Hofmeisterknick ist ja nicht nur ein Knick, sondern auch ein wenig ein Knicks – eine Verbeugung vor der reichen Designhistorie und Tradition. Etabliert von der Neuen Klasse, trägt ihn die BMW Vision Neue Klasse nun in die Zukunft. Ach, übrigens: Auch Hofmeisters Berufsschule gibt es bis heute. Wilhelm Hofmeister hätte bestimmt beides gefallen.