1978 trat er in die damalige Binelli & Ehrsam ein. 40 Jahre später arbeitet Guido Hüppi noch immer für das Unternehmen: «Den speziellen Team-Spirit hier kann man nicht beschreiben.» Kaum zu beschreiben ist auch seine überraschende Lebensgeschichte.
Automechaniker zu werden war sein Bubentraum. Nicht Pilot oder Lokführer. Aber die Konkurrenz zu gross: «Ich hatte keine Chance, weil es so viele Interessenten gab. Der Berufsberater meinte dann: Geh doch ins Ersatzteillager. Meine Begeisterung hielt sich in Grenzen. So kam ich als junger Mann zu Binelli & Ehrsam.»
Guido Hüppi zuckt mit den Achseln, wie er es häufig tut im Verlauf dieses Gesprächs, wenn er von etwas erzählt, was in seinem Leben nicht ganz so geklappt hat, wie er sich dies vielleicht gewünscht hätte. Er ist keiner, der hadert. Eher einer, der annimmt, was das Leben für ihn bereithält, und das Beste daraus macht.
Wehmütig schaute er zwar während seiner Lehrzeit in die Werkstatt rüber, aber den Weg, den er eingeschlagen hatte, setzte er fort, auch wenn es ihm nicht immer einfach fiel. «Ich hatte zwei strenge Lehrmeister. Sie arbeiteten schon 30 Jahre zusammen im selben kleinen Raum und waren trotzdem per Sie. Wenn ich zu spät kam – und das passierte damals häufig – packte mich einer am Ohr. Und wenn ich aufs WC wollte, musste ich fragen. Aber es war mir eine gute Lebensschule.»
Nach der Lehre wechselte er zur Titan Garage, welche heute ebenfalls zur Binelli Group gehört. Eine Stelle als Magaziner war zu besetzen, «aber der Chef fragte, ob ich nicht wieder ins Lager möchte. Vermutlich war ich einfach zu gut für den Hintergrund.» Hüppi lacht. Er wurde befördert, erst Gruppenchef, danach stellvertretender Chef. Nach acht Jahren wollte er aber einfach mal weg: «Vermutlich hatte ich im wahrsten Sinne des Wortes einen Lagerkoller.»
Hüppis Lachen ist herzlich, er lacht gerne und viel. Ein Spruch hier, einer da. Munter spricht er drauflos, kaum zu glauben, dass er sich selber als «ruhig» bezeichnet, aber «ausgeglichen, friedliebend und hilfsbereit». Doch, das nimmt man ihm sofort ab.
Etwas überraschend kommt, dass dieser überlegte Mann während seiner Zeit beim FC Titan (dem privaten Fussball-Grüppchen der Mitarbeiter) öfters mal die rote Karte kassierte: «Weil ich wegen Ungerechtigkeiten gegenüber Mannschaftskollegen ausgerastet bin. Wenn jemand ungerecht oder persönlich wird, dann explodiere ich.» Und trotzdem – oder genau deswegen – wurde er auf dem Platz, während eines Spieles, als «Abtrünniger» wieder zurückgeholt zur Titan.
Zurück, nach seinem kurzen Abstecher «ausser Haus». Nun, kurz war dieser vielleicht, aber prall gefüllt mit Erlebnissen: «Ich verkaufte Orientteppiche, ich versuchte mich im Mietwagengeschäft und ich testete Autos, landete für einen 100‘000km-Test am Nordkap und auf dem Titelbild der Auto-Illustrierten. Und trotzdem fehlte mir in all diesen zum Teil sehr spannenden Jobs der freundschaftliche Umgang, wie wir sie bei der Titan hatten. Hier herrscht ein Spirit, welchen man kaum beschreiben kann. Jeder geht für jeden durchs Feuer. Die meisten der Mitarbeiter arbeiten 20 Jahre oder länger im Betrieb, das sagt doch schon alles.»
So kehrte der verlorene Sohn nach einem Freundschaftsspiel des FC Titan zurück in den Schoss des Unternehmens – und blieb. Bei so viel Lorbeeren für seinen Arbeitgeber fragt man sich unweigerlich, ob Gudio Hüppi eine Grenze zieht zwischen Arbeits- und Privatleben. «Doch, doch, die gibt’s schon!» sagt er überzeugt, um gleich zu relativieren: «Aber, ja, meine besten Freunde habe ich über die Arbeit kennengelernt. Meine Frau auch. Sie wurde mir von einem Kollegen vorgestellt, 27 Jahre ist das her. Ihre Cousine ist mit einem ehemaligen Arbeitskollegen von mir verheiratet. Wir wohnen alle im selben Haus und da wir die gleichen Interessen haben, fahren wir auch stets zu viert in Urlaub.»
Diese Reisen führten sie schon mehrmals in die USA, beim letzten Trip nach Las Vegas erneuerte das Quartett sogar gemeinsam den Bund fürs Leben in einer unkonventionellen Doppelhochzeit: «Drive-in, wie bei McDonald‘s! Wir hatten ein Auto gemietet, einen Cadillac Fleetwood. Da sassen wir also zu viert mit festlichen Kleidern und einem Couvert mit Geld für die Trauung. Ein Pfarrer – oder keine Ahnung, was der war – gab uns seinen Segen und schon fuhren wir wieder weg. Surreal, aber irre lustig. Und da unsere Ehen ja schon fast ein Vierteljahrhundert andauern, hatte es auch etwas Romantisches. Danach flogen wir mit dem Helikopter in den Grand Canyon und köpften eine Flasche Champagner.»
Doch! Guido Hüppi weiss offensichtlich, wie er das Leben auch ausserhalb der Firma geniessen kann. Und überrascht einmal mehr in diesem Gespräch, vor dem er bescheiden tiefstapelte: «Ich weiss ja gar nicht, was du mich fragen kannst oder was ich dir Spannendes zu erzählen hätte.» Für ihn scheint der Spruch «stille Wasser gründen tief» überaus passend.
Achtung, Spoiler: Da wird noch viel mehr an die Oberfläche gespült. Ob er denn bisher in seinem Leben verschont geblieben sei vor Schicksalsschlägen, möchte ich von ihm wissen, dem Mann mit dem herzlichen Blick und dem netten Lächeln im Gesicht. Hüppi wird nachdenklich. «Natürlich gab es auch dunkle Zeiten. Als ein guter Freund sich völlig überraschend das Leben nahm und man sich hinterfragt, ob man dies hätte verhindern können. Oder wenn Freunde und Arbeitskollegen verunfallen oder krank werden und wegsterben. Dann frage ich mich manchmal schon, wie viele Jahre ich wohl noch zu leben habe.»
Angst vor dem Tod hat er keine, eher davor, irgendwann nicht mehr gebraucht zu werden, gerne würde er auch nach dem Pensionsalter in sieben Jahren weiterarbeiten. «Am liebsten hier bei der Binelli Group, wenn sie mich brauchen können. Aber ich kann mir auch vorstellen, Tixi Taxi zu fahren, bei der Spitex Hand zu bieten oder ein Katzenheim zu eröffnen, das wär’s!»
Guido Hüppi ist eine einzige Wundertüte, schon wieder haut er einen völlig neuen Aspekt seines Lebens raus. Aber der Erstaunlichste kommt erst. Auf die Frage, ob seine beiden Eltern noch leben, antwortet er: «Meine Mutter lebt noch, wir gehen sie jede Woche besuchen, gerade jetzt zu Zeiten von Social Distancing ist dies besonders wichtig. Mir tun die Menschen leid, welche einsam sind und alleine gelassen werden. Ob mein Vater noch lebt, weiss ich nicht. Seit der Scheidung meiner Eltern, ich war damals 13 Jahre alt, habe ich keinen Kontakt mehr.»
Ist dies zu glauben? Dieser feinfühlige Mensch, der da vor mir sitzt, zuckt mal wieder mit den Achseln: «Es klingt vielleicht merkwürdig, denn es gab überhaupt keinen Grund, den Kontakt abzubrechen. Ich habe viele schöne Erinnerungen an meine Kindheit und meinen Vater. Aber dann kam die Trennung meiner Eltern. Er stieg in seinen Porsche, und weg war er. Auch aus meinem Leben. Ich habe nie mehr was gehört. Später erfuhr ich, dass er in Kanada ein Hotel aufgebaut und nochmals eine Familie gegründet hatte. Vielleicht würde ich vorbeigehen, wenn ich in Kanada wäre. Aber dennoch: Es wäre ja ein fremder Mensch, nicht mehr mein Vater.»
Negative Gefühle hegt er keine. «Nur irgendwie erschreckt es einem schon, dass keinerlei Gefühle hochkommen. Aber es interessiert mich nicht mehr. Es ist zu lange her.» Man glaubt es ihm, obwohl es tatsächlich erstaunlich ist, wenn man von diesem so empathisch wirkenden Menschen solch abgeklärten Worte hört.
Ob diese Geschichte mitschwingt, wenn Hüppi sagt, dass ihn oftmals Geschichten über vernachlässigte Tieren stärker beschäftigen als menschliche Schicksale? Keine Interpretationen! Aber ein schönes Happyend dieses prall gefüllten Lebens wäre es schon, wenn Guido Hüppi nach 40 Jahren im Autohaus mit einem Katzenheim seinen Lebensabend geniessen würde. Aber wer weiss schon, was das Leben noch für überraschende Wendungen für ihn bereit hält.
Das Hüppi-typische Achselzucken! «Ideen habe ich viele, aber ich bin jemand, der sich ins Leben einfädelt und nichts forciert. Vielleicht lerne ich ja doch noch Gitarre spielen, das wünsche ich mir jedes Mal, wenn ich an einem Konzert bin.»
Er tut es schon wieder! Eine neue Tür aufmachen. Ich muss lächeln. Guido Hüppi – auf den ersten Blick vielleicht nicht der Auffälligste mit seiner ruhigen, besonnenen Art – sitzt vor mir und lächelt zurück. Ich sehe in das zufriedene Gesicht eines Mannes, der mit sich und seinem Leben im Reinen ist. Ob er nun bei der Binelli Group Kundenwünsche erfüllt, in Las Vegas eine Doppelhochzeit feiert oder vielleicht dann doch irgendwann als gitarrespielender Katzenfreund ein Tierheim eröffnet.
Welches Auto passt am besten zu deinem Charakter?
«Der elektrische BMW i3. Ruhig, hat trotzdem Zug, ist angenehm zum Fahren und ich fühle mich darin einfach wohl. Für die Stadt ein geniales Auto.»