Behütet im Schwarzwald aufgewachsen, rebellierte Marco Volz als Jugendlicher, bis er von der Schule flog. Warum das Ausbrechen aus der Landidylle für die Schärfung seines Charakters wichtig war und ihm half, vom Aussenseiter zum Insider zu werden.
Neugierige Augen, ein freundliches Lachen. MINI Verkaufsberater Marco Volz hört hin, analysiert und reagiert. Da hat jemand einen wachen Geist, einen messerscharfen Verstand, das wird schon bei der Begrüssung klar. Er hat Freude am Austausch, nimmt sein Gegenüber wahr und ernst und gibt druckreife Antworten. Ich bin sehr gespannt auf dieses Gespräch, interessiert, was Volz mir vom seinem Leben preisgeben wird. Denn bei meiner Recherche habe ich im Netz wenig gefunden über den 31-Jährigen. Ein paar Snowboard-Videos, ein berufliches Profil. Privates? Fehlanzeige. Ungewöhnlich für einen Mann seines Alters. Aber dahinter steckt Absicht: «Einmal im Internet, immer im Internet. Ich schaue bewusst darauf, was für digitale Spuren ich hinterlassen möchte und wo ich meine Grenzen ziehe.»
Woher kommt diese Einstellung? «Ich wünsche mir, dass noch mehr Leute ein Bewusstsein entwickeln, was für Themen sie mit der ganzen Welt teilen möchten. Digitalisierung ist wichtig, keine Frage. Aber wer sich nur noch online bewegt, verpasst viel. Ich sage so häufig zu meinen Kollegen oder auch zu den Kindern meiner Frau: Geht raus, entdeckt das richtige Leben!»
Das «richtige Leben» – in seiner ganzen Fülle und aber auch Härte – kennt Marco Volz. Schon von klein auf hatte er den starken Drang, über die eigenen Grenzen hinauszugehen, immer und immer wieder: «Ich brauche den Schlag auf den Hinterkopf. Für mich muss es immer so weit gehen, dass ich fast auf die Schnauze falle, oder dass es mich eben auch mal flach hinlegt. Wichtig ist nur, einmal mehr aufzustehen als hinzufallen. Ich bin auf jeden Fall kein Aufgeber. Ich schau immer nach vorne. Vielleicht könnte man auch sagen, ich sei ein Grenzgänger. Wenn’s anfängt weh zu tun, beginne ich mich wohlzufühlen.» Über Grenzen gehen ist für den tatsächlichen Grenzgänger (Volz lebt in Deutschland und pendelt täglich zu seinem Arbeitsort bei Binelli Group in Zürich) nicht nur im übertragenen Sinne ein Thema.
Aufgewachsen im beschaulichen St. Blasien im Schwarzwald: Viele Bäume, wenige Menschen, ein Dom. 77 Prozent der Gemeindefläche bestehen aus Wald, 16 werden landwirtschaftlich genutzt. Der Rest bleibt als Siedlungsfläche für die knapp 4000 Einwohner. «Meine Schwester und ich wohnten mit unseren Eltern in einer 3-Zimmer-Dachwohnung, ganz einfach, ein Dreigenerationenhaus mit Oma und Opa. Im Keller eine Werkstatt. Bei uns herrschte die klassische Rollenverteilung. Unser Vater ging arbeiten und war in seiner Freizeit ein begabter Tüftler. Die Mutter war gelernte Drogistin, allerdings immer zuhause und für mich und meine Schwester da. Als Kinder waren wir ständig draussen im Wald, haben viel gegrillt, Pilze gesammelt, Schiffchen gebaut, ganz behütet.»
Trotz dieses behüteten, gar idyllischen Aufwachsens träumte Volz schon als Kind von mehr. Er hörte den Lockruf der grossen, weiten Welt und malte sich aus, wie diese wohl aussehen würde ausserhalb des Schwarzwalds. «Ich kannte nur den Wald, unser Haus, die Werkstatt. Und dachte mir: Das kann doch nicht alles sein!» In der Schule war er Einzelgänger, fand keinen Anschluss und fühlte sich unverstanden: «Als Bubi konnte ich Sachverhalte schnell aufnehmen, analysieren und in Kontext bringen. Ich war ein Rationalist und der Albtraum aller Lehrer. Wenn du mich nicht gefordert hast, dann habe ich alles gemacht, was ich nicht hätte tun sollen. Ich wurde richtig auffällig.» So ging es auch nicht lange und Marco flog von der Schule, trotz eines Notenschnitts von 1.2 (in der Schweiz entspricht dies einer 5.8). «Ich war massiv unterfordert und hab ohne Ende rebelliert, da sind auch Stühle geflogen. Ich war einfach unausgelastet. Und vermutlich auch ziemlich einsam, weil ich niemanden kannte, der ähnlich tickte wie ich.»
Ein Zugehörigkeitsgefühl empfand Marco erstmals ausserhalb des Dorfes, auf der Piste. «Seit ich drei Jahre alt war, bin ich Wintersportler, durch und durch. Weil meine Mutter sagte: ‘Der Junge hat so viel Energie, den fahr ich lieber nach der Schule an den Lift und hole ihn abends wieder ab. So habe ich wenigstens ein paar Stunden meine Ruhe und er hat sich ausgetobt.’ Also war ich immer am Skilift, egal, ob’s geschneit oder gestürmt hat: Wenn der Lift an war, hat meine Mama mich hingefahren. Da war nie die Frage: Willst du heute? Sondern: Mach!» Diese frühe Selbständigkeit und Anpassungsfähigkeit, sich einer neuen Situation zu stellen und auf diese mit Körper und Geist einzulassen, prägten den jungen Volz. Genauso wie der Sportgeist unter den Gleichgesinnten. Denen war es egal, ob er «anders» war. Auf der Piste waren sie alle gleich. Das war das Einzige, was für die sportlichen Kids eine Rolle spielte.
Anfang 2000 kam das Snowboardfahren auf und Marco Volz war als einer der Ersten mit von der Partie: «Da hast du dir ein Brett an die Schuhe geschnallt, damals noch mit Ex-Rennfahrer Ralf Schumachers Gesicht auf dem Boden. Ich habe versucht, damit bei meiner Skifahrergruppe mitzuhalten. Ich war der Einzige auf dem Board. Mit 13 oder 14 empfand ich unser Skigebiet als zu einfach und wechselte in den Feldberg, das grösste und kommerziellste Wintersportgebiet, das du bei uns im Schwarzwald findest. Da waren alle coolen Jungs. Da bin ich dann ganz natürlich in die Szene reingewachsen. So war ich schon früh raus aus dem Dorf und sah was anderes. Und deshalb hat mich die Schule in Waldshut auch nicht komplett aus den Socken gehauen.»
Ja, richtig, da war ja noch der Schulrausschmiss. Volz kam in der Folge nicht auf das renommierte und teure Elite-Gymnasium im Ort, obwohl die meisten Kinder von St. Blasien dieses von Jesuiten geführte katholische Kolleg besuchten, sondern nach Waldshut in eine staatliche Schule, eine Stunde Busfahrt entfernt. Der Aussenseiter, der weggeschickt wird. Volz fand’s nicht weiter schlimm. Er fuhr nämlich dahin, wo er hinwollte: in die Stadt. «Das war der Moment, in dem ich realisierte: Hoppla, eine Stunde Busfahrt und alles sieht anders aus.» Die Erkenntnis? «Dass anders nicht immer besser sein muss.» Denn auch da war er der Schüler, der allein auf dem Schulhof stand. «Es gibt ja immer eine Gruppe der coolen Kids. Da habe ich aber nicht dazu gehört. Ich war lange Zeit Aussenseiter, weil ich halt ein unberechenbarer, nicht wirklich umgänglicher Mensch war. Heute ist das anders. Weil ich gelernt habe, wie man mit Menschen umgehen muss, um eine Beziehung aufzubauen.»
Gelernt hat er dies, als in der 11. Klasse – er war 17 Jahre alt – ein neuer Schüler dazu stiess. «Er war Abgänger von Schloss Salem. Das Teuerste und Beste, was du dir an Schule leisten kannst im deutschsprachigen Raum. Er kam zu uns, weil in dieser Zeit seine Oma starb und er wieder dahin zurückwollte, wo er aufgewachsen war.» Der Neue musste – anders als Marco Volz – schon früh einen privaten Schicksalsschlag einstecken: Er wuchs ohne Mutter auf. «Dieser Umstand war unter anderem dafür verantwortlich, dass er seine Schullaufbahn auf dem Internat begonnen hatte. Nach seiner Rückkehr in die Heimat verfügte er über keine familiäre Anbindung. Dafür über ein bis zum Rand gefülltes Sparkonto, eine eigene Wohnung und die Freiheit, zu tun und lassen, was er wollte.»
So kam er (damals als einziger volljähriger Schüler) mit seinem eigenen Auto zur Schule, stellte dieses auf den Lehrerparkplatz, «kam generell zu spät, und tauchte auch nur auf, wenn es ihm passte. Anfangs fanden den alle doof. Wenn du mit dem Auto, dem bodenlangen Trenchcoat und der teuren Uhr am Handgelenk zur Schule kommst und bei einer Wortmeldung einen zehnminütigen Monolog hältst, bist du automatisch Aussenseiter.» Plötzlich waren sie zu zweit. Und Marcos Interesse war geweckt: «Mich hat fasziniert, wie er mit Würde trug, nicht gemocht zu werden. Ihm war es komplett egal, was die andern dachten oder über ihn sagten. Ich fand seine Art, mit der Situation umzugehen, extrem interessant.»
Sie freundeten sich an, schnell und intensiv. «Nach drei Wochen bin ich bei ihm ein- und zuhause ausgezogen. Da war ich dann: Behütet im Schwarzwald gross geworden, lebte mit 17 mit einem wohlhabenden jungen Mann zusammen. Meine Eltern fanden es nicht so cool. Ich dafür umso mehr. Das war eine Art Parallelwelt, die ich da kennenlernte. Wenn wir Lust dazu hatten, sind wir abends auch mal vier Stunden nach Frankfurt gedüst zum Abendessen. Wir haben all das gemacht, was Jungs halt so machen, wenn man ihnen zu viel Geld zur Verfügung stellt und sagt: Mach was du willst.»
Volz tauchte voll ein in sein neues Leben. Leben! Aufsaugen wie ein Schwamm, die Neugier stillen. «Spannend ist, dass ich viel von meiner Rhetorik und meiner Art zu sprechen von ihm gelernt habe. Er gab mir alles weiter, was er in Salem an Schulbildung genossen hatte, war ein wandelndes Lexikon – und ist es heute noch. Wir haben nächtelang auf dem Sofa gesessen, Rotwein getrunken und diskutiert.»
Der intensive Austausch, das gegenseitige Verständnis, auch in der Andersartigkeit, veränderte Volz’ Blick auf die Gesellschaft grundlegend. Wollte er vorher – vielleicht etwas trotzig – gar nicht dazugehören, sah er auch die Vorteile davon, gemocht zu werden, Teil einer Gruppe von Menschen zu sein. «Es war für mich plötzlich wichtig, dass ich Akzeptanz erfahre und geben kann. Auch wenn jemand nicht genau meiner Art entsprach. Am Ende der Schulzeit war ich integriert in allen Kreisen. Ich war der Generalist, der es am Schluss mit allen gut konnte.» Und er entdeckte bewusst Seiten an sich, die seinen Charakter ausmachen, wie zum Beispiel, dass er bereit ist, den vollen Einsatz zu leisten, ohne Angst vor dem Risiko. Oder auch, dass er ständig den Wettbewerb sucht: «Ich bin kompetitiv, brauche die Challenge. Wohl deshalb mag ich Mannschaftssportarten nicht so sehr, weil du da keinen Einfluss darauf hast, ob du gewinnst oder verlierst. Und ich verliere nicht gern.»
Ein schelmisches Lachen relativiert das Gesagte und er offenbart unerwartet eine weiche Seite: «Mittlerweile bin ich mental so gereift, dass ich nicht mehr zu Berg gehe mit dem Anspruch, der Beste zu sein. Damals nicht. Das war ein Umstellungsprozess. Heute möchte ich mit meinen Jungs einfach möglichst viel Spass haben.» Bis zur heutigen Version von Marco Volz war es ein Stück Weg. Spass haben, das konnte er zwar auch als junger Mann. «Meinen Lebensstil habe ich durchgezogen bis 22. Dann bin ich an die Uni. Vorher habe ich nur Party gemacht, bin Snowboard gefahren, hatte kleine Sponsorenverträge. Wir waren die Rebellen auf dem Brett, lange bevor dieser Sport einer Progression unterlegen ist, dass du schon im Alter von zehn Jahren beginnen musst, um etwas zu erreichen.»
Schwingt da ein kleiner Funken Wehmut mit? Ich bin nicht sicher. So eloquent und schnell Marco Volz spricht – auch über Hochs und Tiefs – wirkt es, als habe er zu seiner eigenen Lebensgeschichte eine gewisse Distanz. Als nähme er sich und das Leben nicht allzu ernst. Was hatte er denn für Träume, damals mit Anfang 20? Als ihm das ganze Leben offenstand, während er in einer hohen Geschwindigkeit – am liebsten mit einem Brett unter den Füssen, aber auch ganz allgemein – durchs Leben flitzte als sei er auf der Überholspur?
Er stockt, schaut kurz etwas verdutzt. «Ein anderes Leben zu führen! (lacht) Kennst du nicht den Drang, einfach etwas anders zu machen als alle anderen? Ich hatte kein klares Ziel vor Augen. Ich wusste nur, dass ich jede Herausforderung annehme, die sich mir in den Weg stellt. Die Persönlichkeitseigenschaft, sofort mit dem Status Quo zufrieden zu sein, schreckt mich ab. Nicht falsch verstehen: Ich bin dankbar für das, was ich habe. Aber Zufriedenheit ist kein Zustand, auf dem man sich ausruhen sollte. Ich will mehr.»
Vielleicht auch der Grund, warum er sich irgendwann gegen die Profisportler-Karriere entschied. «Der Körper zeigt dir sehr deutlich, dass nicht alles geht, wenn du nicht immer 100 Prozent reinbutterst. Meine Karriere nur auf Sport auszurichten war mir zudem auch irgendwie zu eindimensional. Mein Körper war kaputt, mein Konto war leer und ich fragte mich: Was mache ich nun?»
Seine Tante ermahnte ihn, er solle etwas «Richtiges» tun und schickte ihn in eine Berufsberatung. «So studierte ich, wahrscheinlich zur Überraschung vieler, Betriebswirtschaft. Ich bin in meiner Familie der erste Akademiker. Der Erste, der Abi gemacht und ein Studium abgeschlossen hat.» Was sich unerwartet bürgerlich anhört für einen wilden Freigeist wie Marco Volz, war genau sein Ding. Genauso wie sein heutiger Beruf als Verkäufer Neuwagen MINI bei Binelli Group: «Seit ich hier arbeite, habe ich zum ersten Mal eine Führungsfigur, die ohne Wenn und Aber hinter mir steht. Diese Art der Anerkennung und der Wertschätzung erhalte ich so über alle Massen, wie ich es nicht für möglich gehalten hätte.»
Dass er als ehemaliger Aussenseiter in einem Beruf mit grossem Kontakt zur Kundschaft landen würde, wäre für ihn selbst früher eine aussergewöhnliche Vorstellung gewesen. Auch dass er mit seinem BWL-Studium heute Autos verkauft. Aber genau das passt wiederum zu Volz, der gerne anders agiert, als man es vielleicht erwartet. «Als Autoverkäufer musst du dich immer auf ein emotionales Duell einlassen. Dieser Austausch übt auf mich einen grossen Reiz aus. Ich bin kein Drücker. Ich möchte, dass die Käuferschaft immer selbst und freiwillig entscheidet – und ich unterstütze sie dabei. Am liebsten mag ich es, wenn Menschen, die taff sind im Verhandeln, nach zwei intensiven Stunden unterschreiben und mir sagen: ‘Das war stark!’. Das freut mich extrem.»
Läuft bei Volz! Da scheint jemand mit sich im Reinen zu sein. «Ach was, auch bei mir gibt es natürlich Dinge, die weniger gut laufen. Sogar einiges. Aber Selbstmitleid kann ich nicht. Du hörst mich nie meckern. Du hörst mich nicht schlecht reden. Nur weil du dich beschwerst, änderst du noch nichts. Der Fortschritt beginnt immer erst ausserhalb der Komfortzone.»
Da kommt wieder so ein druckreifer Satz. Ich schreibe ihn nieder und denke mir, wie spannend es doch ist, mit einer Person, über die man im Netz so wenig Persönliches findet, zu sprechen, zuzuhören, nachzufragen. Eine gelungene Überraschung und ja, irgendwie auch anders als erwartet.
Welcher MINI gefällt dir am besten?
«Mein liebster MINI ist auf jeden Fall der John Cooper Works 3-door – das Original und der Kern der Marke MINI.»